Gestern waren wir auf der Sun Hil Ranch in Flawil am Theorieabend zum Thema «passt der Sattel meinem Pferd?». Der eidg. dipl. Sattlermeister Beat Niederberger von der Sattlerei Niederberger in Gossau (SG) brachte uns in rund zwei Stunden die wichtigsten Merkmale des klassischen Reitsattels näher.
Ja, unsere Kernkompetenz liegt in der Westernreitweise. Dennoch interessieren wir uns für alles rund um den Reitsattel und entschieden spontan, den Theorieabend in Flawil zu besuchen.
Beat brachte nicht nur seine jahrelange Erfahrung mit, sonden auch einen Kofferraum voller Sattelbäume von unterschiedlichen Herstellern.
Material, Bauart und Philosophie
Jeder Hersteller hat seine eigene Philosophie hinter der Bauweise des Sattels. Es gibt zwar klare Regeln, die eine gute oder schlechte Passform definieren (Schulter, Widerrist, Schwung, Rückenlänge), dennoch unterscheiden sich die Sattelbäume der Hersteller in den Details und haben damit ihre persönliche Philisophie zur Auflage und Funktion ihres Sattels.
Es war höchst spannend, die Sattelbäume von Marken wie Stübben, Schleese oder Passier zu sehen. Beat erklärte uns die Unterschiede und Philosophie hinter der Bauweise der jeweiligen Passform.
Eine gute Passform
Es folgte die Beurteilung der Passform direkt am Pferd. Zu überprüfen gab es den Sattel eines Pferdes, das am Kurs zur Verfügung stand. Passt der Sattel? Kann und soll man ihn anpassen?
Zuerst wurde der Sattel ohne Unterlage auf dem Pferderücken analysiert und bewertet (Bild 1). Mögliche Druckpunkte und Problemstellen wurden bestimmt und durch einen ähnlichen Sattelbaum (Bild 2) veranschaulicht. Beat erklärte umfangreich, worauf jeder Pferdebesitzer achten sollte und woran man Druckpunkte oder einen defekten Sattel erkennt.
Fazit: Das Kopfeisen im Sattel war für dieses Pferd zu kurz, es fehlte an Polsterung im Schulterbereich und der Sattel hatte zu viel Schwung.
Ab Stange oder nach Mass
Auch wir kennen die Diskussion, dass viele Sättel einfach «ab Stange» verkauft werden. Das ist primär nichts schlechtes und heisst nicht, dass der Sattel nicht passen kann. Als Pferdebesitzer sollte man allerdings unterscheiden können, was ein Masssattel auszeichnet und welche Kompromisse man bei einem Sattel ab Stange macht.
Ein Masssattel bedeutet, dass einzelne Elemente des Sattels wie Kopfeisen, Trachten, Vorder- und Hinterzwiesel individuell an Ross und Reiter angepasst werden. Es ist kein Masssattel, nur weil man sich die Leder- und Nahtfarbe aussucht. Natürlich bedient sich eine Sattlerei hier auch an bereits vorhandenen Grundformen, setzt diese aber passend zusammen.
Kleine Randnotiz
Wir bedienen uns bei der Auswahl des Sattelbaums beim gleichen Prinzip. Sollte die benötigte Passform nicht vorhanden sein, kombinieren wir Fork, Bars und Cantle der einzelnen Sattelbäume und gestalten so eine individuelle Passform.
Beat zeigte uns den Unterschied von dem eher kurzen Kopfeisen im Sattel und dem, das er für dieses Pferd verwendet hätte.
Häufig bieten Sättel ab Stange die Möglichkeit, sich die Passform zusammenzustellen, nicht so individuell an. Ihre Grundform ist mehr für die Allgemeinheit konzipiert und sowohl Ross als auch Reiter müssen Abstriche machen (wie das zu kurze Kopfeisen im oben beschriebenen Beispiel). Ein Argument für den Sattel ab Stange ist hingegen der Verkauf. Durch wenig Abweichung vom Standard, ist es leichter, dass Passform und Eigenschaften des Sattels auch für das nächste Pferd ansatzweise passen.
Sattlermeister vs. Sattelverkäufer
Ein weitere Diskussionspunkt in der Szene. Diplomierte Sattlermeister ärgern sich oft über das mangelnde Wissen der Sattelverkäufer. Ja, ein Sattelverkäufer kann ohne den handwerklichen Hintergrund keinen Sattel bauen. Aber das ist grundsätzlich auch nicht notwendig, wenn ein fundiertes Wissen über Sättel, Reitsport und Anatomie der Pferde vorhanden ist.
Am Ende eines Sattelkaufes ist es grundsätzlich egal, welche Hände den Sattel hergestellt haben. Er sollte bei der Auslieferung an die Kundin allen funktionalen und optischen Anforderungen entsprechen.